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Ein Beitrag vom Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS)

Das Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) ist ein interdisziplinäres und interfakultatives Forschungszentrum der Universität Osnabrück. Seit Anfang der 1990er Jahre gilt das wissenschaftliche Interesse des IMIS den vielfältigen Aspekten räumlicher Mobilität und interkultureller Begegnung in Geschichte und Gegenwart.

Menschenmenge auf einem Platz

Bevölkerungen sind kontinuierlich im Wandel. Sie verändern sich in ihrem Umfang, ihrem Altersaufbau, ihrer Reproduktionsdynamik, ihrer räumlichen Verteilung und ihrer sozialen Zusammensetzung.

Menschentraube

Foto: priamos / photocase.de

Migration und Entwicklung auf kommunaler Ebene

Das entwicklungspolitische Engagement von Kommunen in Deutschland wird durch die global gespannten Netzwerke, die Sprachkenntnisse, das Wissen, die Erfahrung und die Perspektiven von zugewanderten Menschen bereichert. Dieses Engagement möchte die SKEW ausbauen und stärken.

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September: Bevölkerungsentwicklung und Migration

von Vera Hanewinkel, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) der Universität Osnabrück

Bevölkerungen sind kontinuierlich im Wandel

Sie verändern sich in ihrem Umfang, ihrem Altersaufbau, ihrer Reproduktionsdynamik, ihrer räumlichen Verteilung und ihrer sozialen Zusammensetzung.

Seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs ist vor dem Hintergrund umfassender gesellschaftlicher Modernisierungsprozesse in den westlichen Industrieländern ein Absinken der Geburtenraten unter das Bestanderhaltungsniveau (von durchschnittlich 2,1 Kindern je Frau) zu beobachten. Darüber hinaus steigt die Lebenserwartung und der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung nimmt zu. Umfängliche Zuwanderungen bedingen eine zunehmende Internationalisierung bzw. kulturellen Diversität ihrer Bevölkerungen. Von diesen demografischen Prozessen sind alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union – in unterschiedlichem Ausmaß – betroffen.

Alterung

Schaubild 1 „Altersstruktur in der EU-28 im Zeitraum 2014-2080“. Quelle: ec.europa.eu (Eurostat: Statistics Explained)
Schaubild 1 „Altersstruktur in der EU-28 im Zeitraum 2014-2080“

Die Bevölkerungen der Länder Europas altern: Niedrige Geburtenraten („Alterung von unten”) und eine zunehmende Lebenserwartung („Alterung von oben”) führen dazu, dass der Anteil älterer Menschen an der Gesamtbevölkerung wächst. Insbesondere der Anteil der Hochbetagten, d.h. der Personen im Alter von mindestens 80 Jahren, nimmt zu.

Die Alterung der Bevölkerung ist zum bestimmenden demografischen Trend geworden: Sie verändert die gesamte soziale Struktur. Zudem stellt sie die sozialen Sicherungssysteme der europäischen Wohlfahrtsstaaten vor enorme Herausforderungen, da der Anteil der Personen im erwerbsfähigen Alter (15–64 Jahre) an der Gesamtbevölkerung abnimmt. Soziale Sicherungssysteme, die auf dem „Generationenvertrag” – auch Umlageverfahren oder Solidarprinzip genannt – beruhen, funktionieren aber nur so lange es genug Personen gibt, die im Erwerbsleben stehen und Sozialabgaben leisten, die zum Beispiel in Renten-, Pflege- oder Krankenkassen fließen. In Zukunft werden aber immer weniger Beitragszahler immer mehr Leistungsempfänger mitfinanzieren müssen. Kamen im Jahr 2010 in der EU-27 noch vier Personen im erwerbsfähigen Alter auf eine Person im Seniorenalter (65+ Jahre), so werden es 2060 voraussichtlich nur noch zwei Personen sein (Quelle: Internetseite des Europaparlaments).

Die Alterung der Bevölkerung kann kurzfristig weder durch Zuwanderung junger Menschen noch durch höhere Geburtenzahlen aufgehalten werden, da der zukünftige Altersaufbau der europäischen Bevölkerungen bereits in ihrer heutigen Bevölkerungsstruktur angelegt ist: Töchter, die heute nicht geboren werden, können in Zukunft keine Kinder zur Welt bringen. Und Zuwanderer mögen zum Zeitpunkt der Einreise zwar im Schnitt deutlich jünger sein als die bereits ansässige Bevölkerung, aber auch sie werden mit der Zeit, die sie im Aufnahmeland verbringen – und das mag durchaus bis an ihr Lebensende sein –, älter.

Bevölkerungsrückgang

Die Bevölkerungen der Länder Europas schrumpfen. Wenn mehr Menschen sterben als Kinder geboren werden, nimmt der Umfang der Bevölkerung ab (natürliche Bevölkerungsbewegung) – es sei denn, dieses Geburtendefizit kann durch Zuwanderung aus dem Ausland ausgeglichen werden. In der Europäischen Union hat sich die Zuwanderung aus Drittstaaten zum zentralen Motor des Bevölkerungswachstums entwickelt. Im Jahr 2014 betrug der Anteil der Zuwanderung am Bevölkerungswachstum im Verhältnis zu natürlichen Faktoren (Geburten minus Sterbefälle) 85,5 Prozent: Der Wanderungssaldo (Zahl der Zuzüge minus Zahl der Fortzüge) lag bei 1,1 Millionen Menschen; der Geburtenüberschuss (Geburten minus Sterbefälle) betrug hingegen nur 200.000 Personen.

Nicht alle EU-Mitgliedstaaten profitieren jedoch gleichermaßen von Zuwanderung: Während beispielsweise die Bevölkerungen von Italien und Deutschland 2014 (Quelle: Internetseite der Europäische Kommission) allein aufgrund von positiver Nettomigration, also Wanderungsgewinnen, wuchsen, verzeichneten Spanien und Zypern einen Bevölkerungsrückgang, der ausschließlich auf eine negative Wanderungsbilanz zurückzuführen war. Die Abhängigkeit des Bevölkerungswachstums von Zuwanderung aus dem Ausland wächst mit dem Rückgang der Geburtenraten. Diese schwankten im Jahr 2013 in der EU-28 zwischen durchschnittlich 1,99 Kindern pro Frau in Frankreich und 1,21 Kindern pro Frau in Portugal (Quelle: Internetseite der Europäische Kommission).

Innerhalb der einzelnen Länder gibt es große regionale Unterschiede im Hinblick auf die demografischen Prozesse der Alterung und Schrumpfung. Regionen mit einer relativ jungen Bevölkerung stehen Regionen mit einem hohen Altenanteil gegenüber. Es gibt ein Nebeneinander von Schrumpfungs- und Wachstumsräumen. Die Disparitäten im Hinblick auf Lebensbedingungen und Daseinsvorsorge in den einzelnen Regionen verstärken sich. Während einige Regionen Zuwanderer aus dem In- und Ausland aufgrund von Arbeitsplätzen, guter Infrastruktur und hohem Lebensstandard anziehen, führen hohe Arbeitslosigkeit, Perspektivlosigkeit und mangelnde Infrastruktur in anderen Regionen dazu, dass sich mehr und mehr Menschen zum Wegzug entscheiden. Infrastrukturen wie Bildungseinrichtungen, Gesundheitsversorgung, der öffentliche Nahverkehr, aber auch Strom- und Wassernetze bedürfen einer Mindestzahl an Nutzern. Werden sie nicht mehr ausreichend ausgelastet, können sie zum Teil nicht aufrecht erhalten werden. Ein Wegfall dieser Infrastruktur führt dazu, dass die betroffenen Regionen immer unattraktiver werden und sich weitere Einwohner zur Abwanderung entscheiden.

Internationalisierung

„Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung der EU-Mitgliedstaaten am 1. Januar 2014, in Prozent". Quelle:Quelle: ec.europa.eu (Eurostat: Statistics Explained)
Schaubild 2 „Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung der EU-Mitgliedstaaten am 1. Januar 2014, in Prozent”

Zuwanderung aus dem Ausland wirkt sich auf die Zusammensetzung der Bevölkerungen der Mitgliedsländer der Europäischen Union aus: Sie werden zunehmend heterogener. Dabei gibt es zwischen den einzelnen Staaten aber große Unterschiede. Der Anteil der ausländischen Bevölkerung reicht von weniger als 1 Prozent der Gesamtbevölkerung (Polen, Rumänien, Kroatien, Litauen) bis zu mehr als 45 Prozent (Luxemburg). Dabei prägten Zuwanderungen in der Vergangenheit die heutige Zusammensetzung der Einwandererbevölkerung. So sind zum Beispiel Zuwanderer aus ehemaligen Kolonialländern in Frankreich, Großbritannien oder den Niederlanden stark vertreten, während ehemalige „Gastarbeiter” und ihre Nachkommen in Deutschland und Belgien zu den größten Einwanderergruppen zählen. Auch die EU-Binnenmigration trägt in vielen EU-Ländern entscheidend zur Zusammensetzung der Zuwandererbevölkerung bei (siehe Schaubild 2). Insgesamt lebten 2014 19,6 Millionen Drittstaatsangehörige in der Europäischen Union (3,9 Prozent der Gesamtbevölkerung). Zudem waren 14,3 Millionen EU-Staatsangehörige (2,8 Prozent) innerhalb der Europäischen Union mobil.

Die Internationalisierung der europäischen Bevölkerungen wirft Fragen nach der gesellschaftlichen Integration der Zugewanderten auf. Diese kann als chancengleiche Teilhabe an zentralen gesellschaftlichen Bereichen verstanden werden. Besondere Beachtung findet dabei die Integration in das Bildungssystem und den Arbeitsmarkt, da über sie Ressourcen verteilt werden (kulturelles, ökonomisches Kapital), die den Zugang zu anderen gesellschaftlichen Teilbereichen (wie etwa dem Wohnungsmarkt) vorstrukturieren. Zudem sind eine qualifizierte (Aus-)Bildung und die Integration in den Arbeitsmarkt im Hinblick auf den Rückgang der Erwerbsbevölkerung und den damit wachsenden Arbeits- und insbesondere Fachkräftebedarf in den Ländern Europas von zentraler Bedeutung. Wirtschaftswachstum und Innovationsfähigkeit in der Europäischen Union hängen damit entscheidend auch von der Frage ab, ob dieser Bedarf in Zukunft gedeckt werden kann. Angesichts der beschriebenen demografischen Entwicklungen wird dies ohne qualifizierte Zuwanderung aus dem Ausland nicht möglich sein.

Ein Beitrag vom Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS)

Das Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien (IMIS) ist ein interdisziplinäres und interfakultatives Forschungszentrum der Universität Osnabrück. Seit Anfang der 1990er Jahre gilt das wissenschaftliche Interesse des IMIS den vielfältigen Aspekten räumlicher Mobilität und interkultureller Begegnung in Geschichte und Gegenwart. Zu den Aufgaben des IMIS gehört es, durch seine Grundlagenforschung, seine Publikationen, seine öffentlichen Veranstaltungen und die wissenschaftliche Beratungstätigkeit seiner Mitglieder einen Beitrag zu leisten zur Verdichtung und Vernetzung der interdisziplinären Arbeit sowie zum Dialog zwischen Wissenschaft und Praxis. Aufgrund seiner langjährigen Forschungsexpertise sowie einer in Deutschland einmaligen interdisziplinären Breite ist das IMIS heute ein überregional und international bekanntes und anerkanntes Forschungsinstitut.