Logo des BICC (Bonn International Center of Conversation)

Ein Beitrag des BICC

Das BICC (Internationales Konversionszentrum Bonn - Bonn International Center for Conversion) befasst sich mit globalen Themen der Friedensforschung und Konfliktforschung. Es leistet Politikberatung und Beiträge zu öffentlichen Debatten.

Zwei Soldaten sind in der ägyptischen Wüste. Sie sind von hinten zu sehen und schauen in die Ferne. Foto: Carmine Cartolano

Entwicklung im weiteren Sinn, als ein anderes Wort für Frieden, kann uns in die Lage versetzen, Konflikte zu erkennen [...].

Willy Brandt, Friedensnobelpreisträger

Foto: Carmine Cartolano

Ziviler Friedensdienst

Konflikte gewaltfrei lösen: Der Zivile Friedensdienst (ZFD) unterstützt weltweit Projekte zur gewaltfreien Konfliktbearbeitung in Konflikt- und Krisenländern durch die Entsendung von Fachkräften im Rahmen des Entwicklungshelfergesetzes (EhfG). Gewaltminderung, langfristige Friedenssicherung und Krisenprävention sind seine Ziele.

Seiteninhalt

Mai: Frieden und Sicherheit

„Entwicklung im weiteren Sinn, als ein anderes Wort für Frieden, kann uns in die Lage versetzen, Konflikte zu erkennen und mit ihnen in einer Weise umzugehen, dass ein Umschlag in militärische oder wirtschaftliche Kriege unwahrscheinlicher wird. [...] Es gibt keine vernünftige Alternative zu einer Politik, die Spannungen abbaut und ein höheres Maß an Zusammenarbeit bewirkt.“ So formulierte der Friedensnobelpreisträger Willy Brandt bereits 1980 in seiner Einleitung zum „Nord-Süd-Bericht“.

Kriege und gewaltsame Konflikte hemmen menschliche Entwicklung

Diese Gedanken sind so dringlich wie je: Auch 30 Jahre nach dem Erscheinen des „Nord-Süd-Berichts“ vergeht kaum ein Tag ohne neue Hiobsbotschaften aus den Krisenregionen dieser Erde, die den Menschen Grund zu großer Sorge geben. Syrien und der Irak, Israel und Palästina sowie Libyen stehen für menschliches Elend durch Krieg und Gewalt, Vertreibung und Hunger. Die Liste dieser Staaten lässt sich durch viele weitere ergänzen, die in der medialen Agenda seltener erscheinen. Hierzu gehören „chronische“ Gewaltkonflikte im Südsudan, der DR Kongo, der Zentralafrikanischen Republik, Afghanistan und Nigeria. 22 der 34 Entwicklungsländer, die weit davon entfernt sind, die Millenniumsentwicklungsziele zu erreichen, sind in endemischen Konfliktsituationen gefangen.

Der Vormarsch des IS vermehrt die Gewalt in einer Region, die durch Krieg und bewaffnete Konflikte geprägt ist. Eine Reaktion, die sich auf Waffenlieferungen, militärische Koalitionen und Luftangriffe beschränkt, adressiert vor allem Symptome. Dies beantwortet aber nicht die Frage, wie es zu diesen eskalierenden Ausuferungen der Gewalt kommen konnte. Viele Dschihadisten wurden im syrischen Bürgerkrieg und in der gewaltvollen Nachkriegszeit des Iraks sozialisiert. So entwickeln sich militante Bewegung häufig dann, wenn ganze Bevölkerungsgruppen von ihren Regierungen aus der politischen Teilhabe ausgeschlossen wurden und werden. Die Nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDG) betonen, dass die Schaffung von Frieden auch an die Reduzierung von Disparitäten im Lebensstandard und an die Erlangung von Chancengleichheit gekoppelt werden muss – eben auch als Beitrag zur aktiven Krisen- und Konfliktprävention.

Krisenprävention, zivile Konfliktbearbeitung und Friedensarbeit: Voraussetzung ist eine kohärente Politik in Deutschland und der EU

Die Zukunftscharta des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) 2014 hebt den Gesamtzusammenhang zwischen Frieden, menschlicher Sicherheit und Entwicklung deutlich hervor und formuliert: „Krisenprävention, zivile Konfliktbearbeitung und Friedensarbeit müssen stärker ins Zentrum der deutschen internationalen Politik rücken.“ Um dieses Ziel zu erreichen, benötigt es viele unterschiedliche Akteure – staatliche wie zivilgesellschaftliche. In diesem Sinne ist der Aktionsplan „Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung“ von herausgehobener Bedeutung. Dieser fördert nicht nur die ressortübergreifende Zusammenarbeit der Bundesministerien, sondern auch die Zusammenarbeit mit kirchlichen und zivilgesellschaftlichen Organisationen.

Im EU-Recht ist das Kohärenzgebot im Interesse der Entwicklung im Vertrag von Lissabon festgelegt. Darin heißt es: "Bei der Durchführung politischer Maßnahmen, die sich auf die Entwicklungsländer auswirken können, trägt die Union den Zielen der Entwicklungszusammenarbeit Rechnung." Dies berührt auch die „Wahrung und Wiederherstellung menschlicher Sicherheit sowie die Schaffung eines dauerhaften Friedens in Freiheit“, wie sie die „Zukunftscharta“ fordert. Konkret müssen sich an diesem Auftrag insbesondere die Rüstungsexport- und die Flüchtlingspolitik der EU messen lassen.

Den EU Gemeinsamen Standpunkt in eine restriktive Rüstungsexportpolitik umsetzen

Daten aus dem Jahr 2012 belegen, dass die EU-Mitgliedsstaaten mit Rüstungsexporten im Wert von insgesamt 39 Milliarden Euro ihre Position auf dem Weltrüstungsmarkt untermauert haben (Rüstungsexportbericht 2014 der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung, GKKE). Dort ansässige Rüstungsunternehmen fokussieren sich zunehmend auf Wachstumsmärkte außerhalb Europas. Die GKKE kritisiert: „Nicht selten gelangen europäische Rüstungsgüter in Länder, in denen Regierungshandeln eine geringe oder fragwürdige gesellschaftliche Legitimation hat und Menschenrechte missachtet werden, die sich in einem Konflikt befinden oder wo die Gefahr besteht, dass die Waffen weiterverbreitet werden.“ In der Tat müssen sich Deutschland und andere EU-Mitgliedsstaaten fragen lassen, welche Auswirkungen ihre Unterstützung von als Bündnispartnern betrachteten Staaten wie Saudi-Arabien und Katar auf das Konfliktgeschehen in der Region sowie den Zufluss von Waffen und Material dorthin haben.

Im Sinne einer kohärenten, Frieden fördernden EU-Politik ist deshalb eine restriktive Auslegung des EU Gemeinsamen Standpunkts von 2008 mit seinem Verhaltenskodex für Rüstungsexporte notwendig. Insbesondere die Kriterien 2 (Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts durch das Endbestimmungsland), 3 (Innere Lage im Endbestimmungsland als Ergebnis von Spannungen oder bewaffneten Konflikten), 4 (Aufrechterhaltung von Frieden, Sicherheit und Stabilität in einer Region) und 8 (Vereinbarkeit der Ausfuhr von Militärtechnologie oder Militärgütern mit der technischen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Empfängerlandes) sind unter entwicklungspolitischen Gesichtspunkten richtungsweisend.

EU-Flüchtlingspolitik zwischen Abschreckung und Nachhaltigkeit

Es sind zu einem großen Teil Kriege und bewaffneten Konflikte und ihre schrecklichen Folgen wie Hunger und Not, die Millionen Menschen aus Syrien, der Zentralafrikanischen Republik, dem Irak und unzähligen anderen Ländern fliehen lassen. Das UN-Flüchtlingshilfswerk spricht von mehr als 50 Millionen Flüchtlingen weltweit. Für zwei Drittel von ihnen ist „Flucht“ zum Dauerzustand (Protracted Refugee Situation) geworden. Die Betroffenen kommen überwiegend aus Afghanistan, Burundi, Liberia, Myanmar, Sierra Leone, Somalia, West-Sahara und dem Sudan und befinden sich meist in Nachbarstaaten ihres Herkunftslandes. Sie leben unter hohen Sicherheitsrisiken und leiden unter fortdauernder Abhängigkeit und Perspektivlosigkeit.

Eine nachhaltige, an friedens- wie entwicklungspolitischen Vorstellungen orientierte Flüchtlingspolitik sollte nach dauerhaften Lösungen für solche Flüchtlingskrisen suchen. Sie sollte sowohl die Möglichkeiten zur freiwilligen Rückkehr und Reintegration unterstützen, als auch in Friedensverhandlungen das Schicksal von Flüchtlingen und Rückkehrern besser berücksichtigen, um damit die Grundlagen für eine nachhaltige und friedenskonsolidierende Rückkehr zu schaffen. Zudem spielt die Ansiedlung in Drittstaaten eine zunehmend wichtige Rolle. Doch auch für die EU selbst ist es eine große gesellschaftliche Herausforderung, wie sie mit den Migrationsströmen umgehen soll. Nach Angaben der Nichtregierungsorganisation „United“ starben in den letzten 20 Jahren an den Außengrenzen der EU mindestens 17.000 Menschen. Angesichts dessen rüstet die „Festung Europa“ auf und will sich neuer Sicherheitstechnologien wie des Überwachungssystems EUROSUR bedienen, das Flüchtlinge aufspüren soll, bevor sie den ersehnten Kontinent erreichen können. In die gleiche Richtung geht die Ausstattung von Auffanglagern etwa in Libyen mit technischem Equipment wie High-Tech-Zäunen, die die Flucht verhindern sollen.

Die Friedensforschung fordert dagegen humanitären Belangen Vorrang zu geben und die Augen dafür zu öffnen, dass Migration ein selbstverständlicher Vorgang in einer globalisierten Einen Welt ist. So empfahl das „Friedensgutachten 2014“, die in der Dublin-III-Verordnung verankerte Regelung abzuschaffen, wonach das EU-Land, das der Flüchtling als erstes betreten hat, für das Asylverfahren zuständig ist. Dies bürde den Staaten an der EU-Peripherie die Hauptverantwortung und die wesentlichen Kosten auf. Trotz des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems gestatten die unterschiedlichen Asylverfahren den Mitgliedstaaten große Spielräume. Das „Friedensgutachten 2014“ zieht daraus die Schlussfolgerung: „Mittel aus dem neu aufgelegten Asyl- und Migrationsfonds sollten in die Angleichung der Standards auf hohem, menschenrechtskonformem Niveau fließen.“